Obwohl die Reform der Alters- und Hinterlassenenversicherung AHV 21 bereits seit dem 1. Januar 2024 in Kraft ist, wirkt sie sich in mancher Hinsicht erst ab 2025 direkt auf die Arbeitsverträge aus. Ein paar Hinweise für die Praxis:
Eine der mit der Reform verbundenen Neuerungen, die aus Sicht des Arbeitsvertragsrechts zu Handlungsbedarf führen können, ist die Erhöhung des ordentlichen Rentenalters (jetzt Referenzalter) der Frauen. Es wird von 64 auf 65 Jahre erhöht und so dem Referenzalter der Männer angeglichen. Die Erhöhung wird ab 1. Januar 2025 in vier Schritten umgesetzt, sodass am Ende dieses Prozesses ab 1. Januar 2028 das Referenzalter für alle einheitlich 65 Jahre beträgt. Als erster Schritt steigt das Referenzalter am 1. Januar 2025 um 3 Monate. Damit beträgt dieses für die Frauen des Jahrgangs 1961 64 Jahre und 3 Monate. Soll das Arbeitsverhältnis auf das Erreichen des (neuen) Referenzalters zufolge Pensionierung aufgelöst werden, ist bei einer Kündigung oder einem Aufhebungsvertrag der um drei Monate spätere Zeitpunkt zu beachten. Firmen, die im Arbeitsvertrag oder einem integrierten Reglement eine automatische Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei Frauen am Ende des Monats definieren, in dem sie des 64. Lebensjahrs erreichen, sollten dies dringlich ändern. Neu könnte der entsprechende Zeitpunkt z.B. mit «bei Erreichen des Referenzalters» umschrieben werden. Ist hingegen die Rede vom «Erreichen des ordentlichen AHV-Rentenalters» sind wir der Ansicht, dass damit auch das Referenzalter gemeint ist, womit in diesem Fall kein Handlungsbedarf besteht.
- Besondere Fragen stellen sich bei der Flexibilisierung des Arbeitspensums und des Rentenbezugs. Zu denken ist an eine Reduktion des Pensums in den Jahren vor Erreichen des Referenzalters oder ein Weiterarbeiten in einem reduzierten Pensum über dieses hinaus. Dies bedingt immer eine Änderung des Arbeitsvertrags, die idealerweise einvernehmlich erfolgt. In diesen Fällen sind beide Vertragsparteien gut beraten, vorgängig auch die übrigen rechtlichen Aspekte abzuklären, namentlich betreffend AHV, Pensionskasse, Steuern und Arbeitslosenversicherung.
- Für Arbeitnehmende im Referenzalter gilt ein Freibetrag von CHF 16’800.00 im Jahr, auf dem keine AHV-Beiträge zu bezahlen sind. Seit 2024 ist dieser Freibetrag freiwillig. Nur jener Teil des Erwerbseinkommens, der den Freibetrag übersteigt, ist beitragspflichtig. Arbeitet jemand für mehrere Arbeitgebende, gilt der Freibetrag für jedes einzelne Arbeitsverhältnis. Vor diesem Hintergrund ist es empfehlenswert, über das Referenzalter hinaus tätige Mitarbeitende zu fragen, ob sie den Freibetrag in Anspruch nehmen möchten. So kann korrekt mit der Ausgleichskasse abgerechnet werden. Zur Erinnerung: Nach Erreichen des Referenzalters entfallen die Beiträge an die ALV.
- Bei der Vorsorgeeinrichtung oder der Krankentaggeldversicherung lohnt sich (nicht nur im Zusammenhang mit Fragen rund ums Referenzalter) ein Blick ins Reglement bzw. in die Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Betreffend Lohnfortzahlung bei Arbeitsunfähigkeit sollte (insbesondere bei einer (Weiter)Beschäftigung nach Erreichen des Referenzalters) ggf. die vereinbarte Lohnfortzahlung unter die Lupe genommen werden. Diese muss mit den effektiven Versicherungsleistungen harmonieren, ansonsten nicht rückgedeckte Leistungsversprechen grundsätzlich zulasten des Unternehmens gehen.
Im Übrigen erinnern wir daran, dass die Regeln des Kündigungsschutzes auch über das Referenzalter hinaus gelten. Dies kann ein Argument dafür sein, Arbeitsverträge in diesen Fällen befristet zu vereinbaren.
Aus unserer Beratung wissen wir, dass die Kenntnisse der Arbeitnehmenden (und bisweilen auch der Arbeitgebenden) zu den aufgeführten Themen nicht selten Lücken aufweisen. Sinnvoll ist es in jedem Fall, rechtzeitig das Gespräch zu suchen, und sich ggf. insbesondere von den Versicherungen beraten zu lassen. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf unser Merkblatt «Ältere Mitarbeitende», den «Musterarbeitsvertrag ältere Arbeitnehmende» und unser regelmässig stattfindendes Seminar zur Vorbereitung auf die Pensionierung.